Was für eine Freude: Unsere Kreuznacher Bundestagsabgeordnete und langjährige Landesvorsitzende Julia Klöckner ist die neue Bundestagspräsidentin. In unserem Interview gibt sie uns in dieser Woche seltene Einblicke in ihren neuen Alltag zwischen Sitzungsleitung, Staatsbesuchen und der Verantwortung für mehr als 3000 Mitarbeiter. Außerdem geht’s um die Debattenkultur – und die Frage, warum auch ein Blick in die Kantine politisch sein kann.
Frau Klöckner, Sie bekleiden als Bundestagspräsidentin das zweithöchste Amt im Staat. Was dachten Sie, als Friedrich Merz Ihnen die Aufgabe angetraut hat?
Natürlich habe ich mich sehr gefreut und empfinde es als große Ehre. Seit über zwei Jahrzehnten bin ich Parlamentarierin im Land und Bund mit Leib und Seele. Dabei habe ich nicht nur verschiedenste parlamentarische Funktionen innegehabt, sondern insbesondere auch die unterschiedlichen Rollen von Oppositions- und Regierungsfraktion wahrgenommen. Es gehört nicht nur zum Wesen der Demokratie, sondern ist für das gegenseitige Verständnis entscheidend, dass man schon „auf beiden Seiten“ saß. In diesem Sinne sehe ich die Aufgabe der Präsidentin. Sie ist Vertreterin des ganzen Hauses – nicht nur der Mehrheit.
Die Menschen nehmen die Bundestagspräsidentin vermutlich hauptsächlich dann wahr, wenn sie die Sitzungen des Parlaments leitet. Hinter dem Amt steckt aber noch viel mehr, oder?
Die Leitung der Sitzungen ist ein Teil und für viele Menschen vielleicht der sichtbarste. Meine Aufgaben als Bundestagspräsidentin sind aber so vielfältig wie das Haus selbst. Mir untersteht beispielsweise die Bundestagsverwaltung mit ihren rund 3200 Beschäftigten. Ich vertrete das Haus auch nach außen – im Inland wie im Ausland. So werde ich am Sonntag stellvertretend für unser deutsches Parlament bei der Inauguration des neuen Papstes in Rom sein. Die Polizeigewalt und das Hausrecht in den Gebäuden des Parlaments gehört zu meinen Aufgaben. Ich leite den Ältestenrat, in dem alle Fraktionen vertreten sind. Habe z.B. auch den Kuratoriumsvorsitz für das berühmte Denkmal für die ermordeten Juden inne. Unterstützt werde ich bei allem von meinen vier Stellvertretern im Präsidium. Auch Fragen der Öffentlichkeitsarbeit, der Umgang mit Angelegenheiten der Abgeordneten und die Sicherstellung der Einhaltung von Regeln obliegt dem Präsidium. Ebenso die jährliche Festsetzung die Höhe der staatlichen Mittel zur Parteienfinanzierung.
Worin sehen Sie Ihr wichtigstes Ziel für Ihre Amtszeit?
Ich möchte meinen Beitrag dazu leisten, dass wir das Vertrauen in die Politik wieder stärken – in die Arbeit des Parlaments und der Politiker. Dazu müssen wir unsere Arbeit transparent machen, verständlich kommunizieren und vor allem: Wir brauchen einen vernünftigen Umgangston im Deutschen Bundestag. Durchaus deutlich in der Sache, aber nicht verletzend. Den Zank der vergangenen Legislatur haben die Leute satt. Nach innen ist mir wichtig, dass das Parlament moderner und digitaler arbeitet. Auch habe ich vor, die Geschäftsordnung zu überarbeiten, unseren heutigen Bedingungen anzupassen.
Sie wollen, dass junge Menschen die Arbeit des Bundestages künftig auch auf TikTok verfolgen können. Gibt es dann Videos aus der Kantine? Markus Söder zum Beispiel ist ja damit sehr erfolgreich.
Solange diese Plattform, die ich nicht unkritisch sehe, erlaubt ist und vor allem junge Menschen sie als Hauptinformationsquelle nutzen, dürfen wir hier nicht fehlen. Es darf sicher auch mal um unterhaltsame Einblicke hinter die Kulissen gehen, wenn es dabei hilft, dass die Menschen sich für die Arbeit des Bundestages interessieren. Generell müssen wir die Botschaften natürlich so aufbereiten, dass wir die Zielgruppe auch wirklich erreichen – und es der Würde des Hohen Hauses weiterhin entspricht. TikTok ist eine wichtige Plattform bei den Jüngeren, die sich kaum noch über klassische Medien informieren. Wir dürfen Fakenews und extremen Kräften dort nicht das Feld überlassen.